Letzter Rundgang – Experimenteller Wohnungsbau / Studentisches Wohnen – Mönchengladbach

  • Ort: Mönchengladbach-Rheyd
  • Jahr: 2014
  • Verfahren: begrenzter, einphasiger Wettbewerb (gemäß RAW 2004)
  • Auslober: Kreisbau AG, Mönchengladbach-Giesenkirchen
  • Arbeitsgemeinschaft: UTArchitects - Berlin

Städtebauliche Gesamtkonzeption
Die städtebauliche Konzeption besteht in der Wiederherstellung von klaren Blockaußenkanten zum Rheydter Ring und zur Friedrich-Ebert-Straße. Damit einhergehend wird für das neue Gebäudeensemble ein geschützter grüner Wohnhof geschaffen. Die Blockrandschließung wird durch eine Fuge an der Friedrich-Ebert-Straße in zwei Gebäude gegliedert, ein drittes Gebäude wird als Gartenhaus an der Grundstücksgrenze zum Grundstück Friedrich-Ebert-Straße 59 positioniert. Die Bebauung orientiert sich mit Ihrer Geschossigkeit an den Vorgaben des aktuellen B-Plan Entwurf. Alle Gebäude werden mit einem Staffelgeschoss versehen, das sich durch einen Materialwechsel und klare Rücksprünge von den Vollgeschossen absetzt. Angrenzend an das Baudenkmal Friedrich-Ebert-Straße 59 nimmt der Neubau die vorgefundene Traufhöhe auf, springt am Ziergiebel zurück und lässt den Altbau so unbeeinträchtigt zur Wirkung kommen.

Grüner Wohnhof und Sockelgeschoss
Ein gemeinsames Sockelgeschoss vermittelt den Höhenunterschied des Geländes von ca. vier Metern. Im Sockelgeschoss befinden sich alle „Nichtwohnfunktionen“: Parkgarage, Fahrradstation, Heizzentrale und attraktive Gewerbeflächen, die sich als Flächen für Einzelhandel oder VHS anbieten. Das Sockelgeschoss wird von der Friedrich-Ebert-Straße und dem Rheydter Ring aus erschlossen. Auf dem Sockelgeschoss befindet sich der gemeinschaftliche grüne Wohnhof, von dem aus alle Wohnungen erschlossen werden. Über eine Freitreppe und einen wettergeschützten Erschliessungskern mit Aufzug, dem Verteiler, ist der Wohnhof sowohl funktional als auch visuell an die Friedrich-Ebert-Straße angeschlossen. Der Höhenunterschied zur Friedrich-Ebert-Straße bewirkt, dass der Wohnhof aus den öffentlichen Straßenräumen herausgelöst und zu einem gemeinschaftlichen Garten mit privatem Charakter wird.

Architektonische Konzeption
Die einheitliche Gestaltung der Fassaden fasst die drei verschiedenen Gebäude mit ihren unterschiedlichen Innenhof Wohnungstypologien zu einem homogenen und identifizierbaren Ensemble zusammen. Gleichzeitig geht das Ensemble subtil auf die Umgebung ein, die an dieser Stelle von sehr unterschiedlichen baulichen Maßstäben geprägt ist. Während das östliche Gebäude an der Friedrich-Ebert-Straße die Proportionen der bestehenden Altbauten interpretiert, wird mit dem nördlichen Gebäude ein prägnanter Eingang zur Rheydter Innenstadt geschaffen und der Bereich der Kreuzung Friedrich-Ebert-Straße / Rheydter Ring nachhaltig aufwertet. Die Straßenfassaden interpretieren mit ihren unterschiedlich großen quadratischen Öffnungen einerseits die variierenden Lochfassaden der Innenstadthäuser und vermitteln andererseits eine lebendige und von Individualität geprägte Wohnkultur.

Ansicht Ost

Die neuen Gebäude sind in klassischer Weise in Sockel, Fassade und Dach gegliedert. Das Sockelgeschoss als Nahtstelle zum öffentlichen Raum ist als verklinkerte Fläche gestaltet. Die Fassaden sind weiß gestrichen und bekommen durch die verschieden große Fensteröffnungen eine lebendige Anmutung. Das Staffelgeschoss ist mit einer Rautenbekleidung aus Metall versehen, die dem Ensemble einen besonderen, wiedererkennbaren Charakter verleiht.

Ansicht Süd – Studentisches Wohnen

Grundriss Regelgeschoss _ Studentisches Wohnen

Ansicht Süd – 2. Baustufe

Grundriss Regelgeschoss _ Wohnen

Grundriss Dachgeschoss

Die Große Qualität der Wohnungen beruht auf ihrer Orientierung zum intensiv begrünten Wohnhof, der bei der geplanten späteren Umwandlung in Familienwohnungen durch eine vorgestellte Balkonloggia in die Höhe geführt wird. Die Loggia wird durch eingestellte Pflanzen und Berankungen zu einem vertikalen Garten.

Die Wohnungen im Hochparterre erhalten eigene kleine Privatgärten. Die Dächer sind überwiegend extensiv begrünt. Flächen für eine nachträgliche Installation von Wärmekollektoren oder Photovoltaik werden vorgehalten.

Metamorphose – Nutzungsänderung
Die Studentenapartments werden als kompakte Einheiten von 25m² mit einer lichten Breite von 2,80m (Achsmaß 3,00m) und einer Laubengang-Erschließung geplant. Alle Schlafzimmer sind zum Wohnhof orientiert und werden über raumteilende Nasszellen von den Pantryküchen getrennt. Die Pantryküchen haben Verglasungen zum Laubengang und ermöglichen so Blickbeziehungen zwischen Appartements und Laubengang, die die Kommunikation unter den Studenten fördert. Bei Nutzungsänderung, also der geplanten Zusammenlegung der Appartements, wird der Laubengang von den neuen Geschosswohnungen vereinnahmt. Die Erschließung erfolgt als 2-Spänner über die schon vorhandenen Treppenhäuser. Die entstehenden Wohnungen orientieren sich hinsichtlich Größe und Zimmeranzahl an den Vorgaben der Wohnraumförderbestimmungen WFB und variieren zwischen 2 Zimmerwohnungen (60m²) und 5 Zimmerwohnungen (100m²). Aufgrund der Barrierefreiheit der Wohnungen bietet sich neben der klassischen Familie auch eine Nutzung als Wohngemeinschaft für Senioren an.

Der LoggiaGarten
Die geplanten Balkone und Aufzüge werden in Form eines LoggiaGartens als selbsttragende Stahlkonstruktion vor das Bestandsgebäude gestellt und an diesem fixiert. Diese Maßnahme gewährleistet geringe bauliche Eingriffe und eine kurze Bauzeit, bedingt durch komplette Vorfertigung. Es werden lediglich die Aufzüge an die Treppenhäuser angeschlossen und die Absturzsicherungen der zum Innenhof orientierten Zimmer entfernt, schon sind die neuen Loggien nutzbar.

Der LoggiaGarten ist zum einen eine großzügige Erweiterung der Wohnung, zum anderen ein privater Außenbereich, der individuell von seinen Bewohnern vegetativ gestaltet werden kann. Dies schafft einen hohen Komfort hinsichtlich der Privatheit und bietet gleichzeitig Sonnenschutz, Schutz gegen Wind, Feinstaub und Lärm. Bei einer Bauteiltiefe von 2m können auf dem LoggiaGarten auch barrierefreie Freisitze angeboten werde.

Schallschutz
Aufgrund der hohen Anforderung an die Schalldämmung bei der geplanten Wohnnutzung werden folgende Maßnahmen an den Gebäuden ergriffen:

  • Alle Schlafräume der Regelgeschossen werden zum Wohnhof hin orientiert
  • Fensterflächenanteil max. 40%
  • Schalldämmmaß Fenster / Fenstertüren mind. 44dB (Schallschutzklasse 4)
  • Wirtschaftlich weil Ausführung der Fenster als Einfachfenster mit 2-fach Verglasung möglich
  • Schalldämmmaß der Außenwand mind. 55dB
    (Stahlbeton oder Kalksandstein mit Rohdichte 2.0 kg/dm³)
  • Kombination ALD Außenluftdurchlasselemente Innenhof seitig kombiniert mit klassischer Abluft
  • Wirtschaftlich weil keine kontrollierte Be- und Entlüftung notwendig
  • Schlafräume im Staffelgeschoss, die nicht zum Wohnhof orientiert werden können, werden mit einer kontrollierte Be- und Entlüftung mit dezentraler WRG versehen.

Eine weitere wirtschaftliche Verbesserung des Lärmschutz für den Innenbereich wäre ein Schließen der Fuge zwischen Neubebauung / Gebäude „Kloetersgasse 15“ und der Fuge an der Friedrich-Ebert-Straße mittels transparenter Prallscheiben bei Freihalten der notwendigen Wegbeziehungen.

Barrierefreiheit
Das gesamte Sockelgeschoss und die Wegeverbindung von der Friedrich-Ebert-Straße über den Wohnhof bis an die Zugänge der Wohngebäude sind barrierefrei geplant. Das gleiche gilt für die Parkgarage und die Fahrradstation.

Studentennutzung: Alle Appartements im Hochparterre sind barrierefrei erschlossen. Die barrierefreie Erschließung aller übrigen Studenteneinheiten kann jederzeit durch den Anbau des geplanten, außen liegenden Personenaufzugs nachgerüstet werden.

Wohnnutzung: Im Zuge der Nutzungsänderung wird der vorab beschriebene LoggiaGarten inkl. Personenaufzug an die Bestandsgebäude angedockt. Damit ist die vertikale Barrierefreiheit für alle Wohnungen gegeben.
Die Wohnungen selber sind alle barrierefrei nach DIN 18040-2. Die Bäder sind darüber hinaus uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar.

Energetische und ökologische Konzeption
Die Gebäude sind als KfW-Effizienzhäuser 70 EnEV 2014 geplant. Vorteilhaft sind die kompakte Bauweise (A/V Verhältnis), die hoch gedämmter Fassade und der relativ geringe Fensterflächenanteil.
Für die Wärmeerzeugung ist ein wärmegeführtes BHKW vorgesehen. Die Leistungsabgabe richtet sich nach dem lokalen Wärmebedarf; erzeugter Strom wird lokal verbraucht oder in das Netz zurückgespeist. Leitungen für nachträgliche Fotovoltaik und Solarkollektoren auf den Dachflächen werden in der Versorgungsschachtbelegung lediglich vorgehalten, sind aber zur Einhaltung des Energieeffizienzstandards nicht notwendig.

Parkgarage / Fahrradstation
Die 1-geschossige Parkgarage und die Fahrradstation werden ebenerdig von der Friedrich-Ebert-Straße erschlossen. Die Parkgarage bietet 53 Stellplätze und 20 Motorradstellplätze, die in einem Einbahnstraßensystem angefahren werden. Die Zufahrt liegt in angemessener Entfernung zur Kreuzung Rheydter Ring, verkehrstechnischen Bedenken bestehen keine. Der fußläufige Zugang erfolgt direkt über den Verteiler an der Fuge Friedrich-Ebert-Straße. Die von den Hausaufgängen abgekoppelte Erschließung sorgt für eine gleichberechtigte Nutzung aller Bewohner und für eine Belebung des Außenraums. Als zweiter Rettungsweg wird das Treppenhaus eines der angrenzenden Wohngebäude genutzt.

Tragwerk und Material
Das Gebäudeensemble wird in konventioneller Massivbauweise errichtet. Aufgrund der hohen Schallbelastung werden für die Fassaden Stahlbeton oder Kalksandstein mit Rohdichte 2.0 kg/dm³ verwendet.
Die Geschosse bieten ein hohes Maß an Flexibilität für die innere Raumaufteilung. Sie haben als einziges tragendes Element im Raum eine mittige Stützenreihe mit einem Achsmaß von 3 Metern. Die Stützen sind in die Trennwände zwischen den Studentenapartments integriert. Im Sockelgeschoss werden einzelne Stützen auf Unterzügen aufgestellt, um Feldgrößen von bis zu sechs Metern zu ermöglichen.
Im Erdgeschoss wird eine Klinker-Vorsatzschale mit Kerndämmung vorgesehen. In den Regelgeschossen kommt als Außenhaut ein Wärmedämmverbundsystem mit mineralischem Kratzputz zum Einsatz. Das Staffelgeschoss erhält eine goldfarbene Metallverkleidung und setzt sich somit bewusst von den Vollgeschossen ab.

Erhalt Gasleitung
Die vorhandene Gasleitung in der Kloetersgasse bleibt in seiner Lage im Wesentlichen erhalten, wird 80cm unter Gelände, also oberhalb der Tiefgarage geführt und ist somit optimal zugänglich für den Energieversorger. Im Bereich der Freitreppe wird sie im Gebäude geführt und anschließend an die Friedrich-Ebert-Straße angeschlossen. Für die Zeit der Baumaßnahme wird eine temporäre Gasversorgung realisiert.