- Ort: Berlin
- Jahr: 2018
- Verfahren: Offener Wettbewerb
- Auslober: Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V.
- Landschaftsarchitekten: bbz landschaftsarchitekten berlin gmbh - Berlin
- Tragwerksplanung: ifb frohloff staffa kühl ecker - Berlin
- Brandschutz: Reinhard Eberl-Pacan Architekten + Ingenieure - Berlin
- Bauphysik / Energiedesign: Ingo Andernach - Berlin
Neubau Bundeszentrum für den Bundesverband der deutschen Gartenfreunde
Der Wettbewerb für den BDG ist einzigartig aufgrund seiner speziellen Aufgabenstellung:
Ein Gebäude zu schaffen, das mit seiner Gebäudehülle auf den Nutzer, seine Themen und Belange hinweist und entsprechend kommuniziert. Also den Garten und seine Themen in und an einem Gebäude sichtbar zu machen, zum Alleinstellungsmerkmal zu erheben und nach außen zu kommunizieren.
Gebäudestruktur und Erschließung – Allgemeine Situation
Der Entwurfsverfasser folgt 1:1 der Baukörperkonfiguration für das BDG-Grundstück, über die mit dem Stadtplanungsamt Einvernehmen erzielt wurde. Insbesondere betreffend Geschossigkeit und Abmessungen von 16×18 m und 8x24m, sowie einem eingeschossigen Verbindungsbau, der die beiden Baukörper verbindet und komplett transparent geplant ist.
Die Erschließung des neuen Ensembles erfolgt direkt von der Hermannstr. für Fußgänger und Radfahrer, über den Friedhof für die Anlieferung der Gastronomie mit Kfz.
Gebäudeensemble BDG
Das neue Gebäudeensemble des BDG gliedert sich in 3 Einzelkörper:
Einen 3-geschosssigen Hybrid aus Verwaltung / Veranstaltung / Gastronomie, ein 1-geschossiges Ausstellungskubus und den ebenfalls 1-geschossigen Verbindungsbau, in dem der große Veranstaltungsraum untergebracht ist.
Im 3-Geschosser befindet sich im 2. OG der Hauptnutzer, der BDG, im 1.OG sind auf der Südseite die Schreberjugend, auf der Nordseite der Schulungs- und Versammlungsbereich untergebracht. Im Erdgeschoss wird die Cafeteria durchgesteckt auf der Westseite mit großzügiger Außengastronomie zu Hermannstr. und zum Erschließungshof angeordnet. Neben den Gästen des BDG werden so auch die Passanten der Hermannstr. auf das attraktive Gastronomieangebot aufmerksam. Küche und Anlieferung orientieren sich zum rückseitigen Bereich. Die in Berlin notwendige schwarz/weiß Trennung im Gastronomiebereich wird mittels einer zusätzlichen internen Treppe gewährleistet.
Gebäudeerschliessung
Der Neubau verfügt über 3 Eingänge, die alle über den Vorplatz an der Hermannstr.:
Eingang Verwaltung, Eingang Ausstellung / Veranstaltung und Eingang Cafeteria. Alle 3 Eingänge können zusammen oder unabhängig voneinander betrieben werden.
Die Vertikalerschließung erfolgt durch ein kompaktes 3-läufiges Treppenhaus mit Durchladeraufzug.
Aufgrund der 3 Treppenläufe ist es auch bei einer Geschosshöhe von 4m (EG) immer noch platzsparend.
An der Ostfassade positioniert erlaubt das Treppenhaus den Zugang auf die Dachterrasse des Verbindungsbaus. Über diese Dachterrasse und die angrenzende Spindeltreppe in den Garten wird auch der bauliche Rettungsweg für die Obergeschosse geführt. So können Brandschutzanforderungen an das Foyer Verwaltung vermieden werden und eine transparente kostengünstige Lösung kann hier erfolgen.
Barrierefrei / Rollstuhlgerecht
Das komplette Gebäudeensemble BDG werden barrierefrei nach DIN 18040-2 erstellt, einschließlich der Freianlagen, Dachterrasse und öffentlichen genutzten Bereichen im KG.
Dachbegrünung
Die Dachfläche mit Ausnahme der Dachterrasse des Hauptgebäudes sollten als extensive Dachbegrünung ausgeführt werden, mit den folgenden Vorteilen zu einer klassischen Dachabdichtung mit Kiesschüttung:
Längere Lebensdauer der Dachabdichtung durch Schutz vor UV-Strahlung, Temperaturdifferenzen, Hagelschlag und Krustenbildung, Regenwasserrückhalt, ökologische Ausgleichsfläche (Eingriff-Ausgleichs-Regelung), Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Die intensive Begrünung der Dachfläche des Ausstellungsraums soll zudem die Möglichkeiten der gärtnerischen Gestaltung von Dachflächen aufzeigen.
Energiedesign
Das Gebäude ist CO2-neutral.
Erreicht wird dies dadurch, dass
– bei Bedarf die passiven solaren Gewinne maximiert,
– durch ein innovatives, saisonales Sonnenschutzkonzept der sommerliche Wärmeschutz optimiert,
– ausschließlich passive Kühlungen zum Einsatz kommen,
– der Heizwärmebedarf u.a. durch hohe nutzbare solare Gewinne sehr gering ist,
– Energie durch das Gebäude produziert sowie durch Wärmerückgewinnung wiederverwertet und
– durch die Holzbauweise CO2 in der Gebäudekonstruktion eingespeichert wird.
Das Gebäude produziert über das Jahr mehr Energie als es benötigt und trägt damit zu einer positiven Energiebilanz bei.
Thermische Hülle
Die Holzkonstruktion des Gebäudes bietet sehr gute Dämmwerte und ist wärmebrückenfrei. Für Dämmungen opaker Bauteile kommen nachwachsende Baustoffe wie Holzwolle, Flachs oder Hanf zum Einsatz. Großflächige Verglasungen mit 3-Scheiben Isolierverglasungen aus Weißglas ermöglichen hohe passive Gewinne, die auch zur Nordseite die Verluste überwiegen. Die Tageslichtautonomie ist hoch.
Die saisonale Bewirtschaftung einer Fassadenbegrünung vor den Fenstern minimiert den solaren Wärmeeintrag in der warmen Jahreszeit und maximiert ihn in der kalten Jahreszeit.
Anlagentechnik
Die Wärmeerzeugung erfolgt über eine Kombination aus Sole-Wärmepumpe mit Eisspeicher, biogasbetriebenem BHKW und PV-Anlage mit Batteriespeicher.
Über weite Teile des Jahres reichen die Erträge aus der PV-Anlage aus, um den Strombedarf für das Gebäude zu decken. Der Wärmebedarf wird in dieser Zeit ausschließlich über die Sole-Wärmepumpe bereitgestellt. Wenn saisonal bedingt die PV-Erträge soweit zurückgegangen und der Wärmebedarf soweit gestiegen ist, dass die Erträge aus der PV-Anlage für das Gebäude nicht mehr ausreichend sind, wird der fehlende Strom- und Wärmebedarf durch das BHKW gedeckt. Auf Grund der sehr guten thermischen Hülle, der hocheffizenten Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und der hohen passiven Gewinne während der Heizperiode liegt eine sehr niedrige Heizgrenztemperatur vor.
Sommerlicher Wärmeschutz
Der sommerliche Wärmeschutz wird erreicht durch:
- Minimierung der solaren Gewinne im Sommer und Maximierung der solaren Gewinne im Winter auf Grund der saisonal bewirtschafteten Fassadenbegrünung vor den Fenstern
- einer weiteren Minimierung der solaren Gewinne über bedarfsgeführte Sonnenschutzvorrichtungen
- eine hohe Nachtlüftung zur Auskühlung der Gebäudestruktur in der zweiten Nachthälfte
- eine passive Kühlung der Zuluft durch eine adiabate Abluftkühlung über die Lüftungsanlagen im Sommer
- eine passive statische Kühlung über den Eisspeicher der Sole-Wärmepumpe
Nachhaltigkeit
Das Gebäudeensemble BDG erreichen mind. KFW 70 Standard, bei entsprechend großer PV-Anlage mit Batteriespeicher wäre darüber hinaus sogar Effizienzhaus Plus – Standard realisierbar.
Das Gebäudeensemble BDG kann sowohl in Erstellung als auch in Betrieb co2 neutral realisiert werden:
- die geringe Wärmeleitfähigkeit von Holz eine optimale Materialeigenschaft für eine hoch gedämmte Gebäudehülle ist
- die Holzhülle und Holzkonstruktion CO2 speichert (Holzanteil ca. 80%)
- bei der Produktion weniger CO2 anfällt als bei einem klassischen Massivbau mit WDVS
- sehr hoher U-Wert im Verhältnis zur Bauteiltiefe der Außenwand (mehr Nutzfläche / BGF),
- hinterlüftete und diffusionsoffene Fassade
- komplette werksseitige Vorfertigung inkl. Fenster und Holzverschalung, dadurch kurze Bauzeit und hohe Qualität
- CradletoCradle: Das komplette Gebäude kann komplett recycelt werden, keine teuren Entsorgungskosten bei Rückbau
Holzbauweise
Der Verfasser schlägt vor, dass BDG in moderner Holzskelettbauweise mit Holzrippendecken ausschließlich aus Baubuche zu errichten. Die spezifischen Eigenschaften des Baustoffs Holz liegen bekanntlich in der geringen Wärmeleitfähigkeit, der guten Bearbeitbarkeit und damit einhergehenden Vorfertigungsmöglichkeiten, sowie natürlich in der Eigenschaft, dass Holz CO2 speichert. Die spezifischen Eigenschaften von Baubuche liegen in der extremen Tragfähigkeit von Stützen und Decke. Mit Ausnahme der Gründung und der Bodenplatte, wird das BDG komplett in sichtbarer und ungekapselter Holzbauweise ausgeführt.
Um das Thema Holzbau auch an die Besucher und Gäste des BDG heranzutragen, wird der Baustoff Holz nicht nur verbaut, sondern in allen seinen Facetten auch gezeigt:
- Holzsichtige Decken in den Wohnungen der Obergeschosse
- Holzfassade in allen Obergeschossen
Es erfolgt keine Kapselung der Holzbauteile. Der Brandschutz wird ausschließlich über den Abbrand nachgewiesen.
Konstruktive Beschreibung
Das Gebäude wird als Skelettbau oberirdisch komplett in Holzbauweise aus Baubuche konstruiert. Alle erdberührten Bauteile des Kellers sowie die Fundamente werden aus RC-Beton hergestellt.
Haupttragelemente der drei Baukörper sind die Rippendecken, die ihre Lasten über die Rand- und Mittelunterzüge und Stützen bzw. Massivholzwände ableiten.
Die Ausbildung der Rippendecken erfolgt nach statischen Erfordernissen. Im dreigeschossigen Gebäudeteil ergeben sich für die Rippen bei ca. 5m Spannweite und ca. 3m Achsabstand Querschnitte von 24/46 cm. Die Beplankung benötigt aufgrund des Abbrandes (REI 60!) eine Mindestdicke von 65mm. Die Unterzüge können aufgrund der kürzen Stützweite und dem Wechsel der Deckenspannrichtung zwischen Innen- und Außenfeld mit gleichem Querschnitt ausgeführt werden. Der Schwingungsnachweis zwischen fremden Einheiten wird eingehalten. Der Schallschutz wird durch eine zusätzliche aufgebrachte Schüttung und einen schwimmenden Estrich sichergestellt.
Das Treppenhaus wird hohlraumfreien komplett aus Massivholzwänden d=200mm ausgeführt. Auch die Podeste und Zwischenpodeste sind in gleicher Bauart aus Holz.
Die Aussteifung des dreigeschossigen Gebäudeteils erfolgt über die Treppenraumwände und die geschlossenen Fassadenelemente (Holzrahmenbau).
Im eingeschossigen Ausstellungsbereich können die Abmessungen der Rippen trotz größerer Spannweite aber geringer Belastung (Dach) auf 12/30 reduziert. Die Dicke der Beplankung benötigt reduziert sich aufgrund der geringeren Brandschutzanforderung von REI 30 auf eine Mindestdicke von 35mm.
An die Dachkonstruktion des eingeschossigen Verbindungsbaus werden die größten Anforderungen gestellt. Die Stützweite beträgt ca. 9m und das Dach wird begrünt, mit Pflanzkübeln bestückt und als Terrasse genutzt. Es werden daher besonders leistungsfähige, vorgefertigte und verleimte Kastenelemente eingesetzt, die diese Anforderungen erfüllen. Die Stege bestehen aus Baubuche (10/30, Abstand 1,0m), die schubstarr mit den oben liegenden Plattenelementen aus Baubuche Q d=40mmm verleimt sind. Die Kästen sind unten offen, so dass keine unkontrollierten Hohlräume im Sinne des Brandschutzes entstehen.
Vorfertigung und kurze Bauzeit
Gebäudehülle, Decken und Treppenhaus werden werksseitig komplett vorgefertigt und kommen inklusive der Holzverschalung und fertig eingebauten Fensterelemente auf die Baustelle. Die Elemente werden geschossweise im maximal zu transportierenden Format von 10,70m x 3m gefertigt und per Kran montiert. Die Montage des Holzbaus eines kompletten Geschosses beträgt lediglich 1 Woche. Vorteil der Vorfertigung bei der Holzfassade sind die kurze Bauzeit, die hohe Qualität durch werksseitige Vorfertigung und das „leise Bauen“.
Brandschutz
Das geplante BDG ist nach Berliner Bauordnung (BauO Bln) der Gebäudeklasse 3 (Oberkante Fußboden oberster Aufenthaltsräumen >7m über Geländehöhe, Nutzungseinheiten ≤ 400m²;) zuzuordnen. Tragende, aussteifende und raumabschließende Bauteile sind feuerhemmend herzustellen, als Baustoff kann Holz verwendet werden.
Rettungswege
Der vertikale Rettungsweg des 3-geschossigen Gebäudeteils führt über einen Treppenraum auf die angrenzende Dachterrasse des 1.OG. Von hier aus erreicht man über die unmittelbar angrenzende Spindeltreppe (100cm lichte Breite) das Freigelände des BDG.
Der zweite Rettungsweg führt über die Rettungsgeräte der Feuerwehr (Steckleiter).
Freiraumkonzept
Das Freiraumkonzept für den Neubau des BDG ordnet sich in die Struktur des Luisenstädtischen Friedhofs ein und schafft ein pietätvolles Nebeneinander der neuen Nachbarschaft.
Von der Hermannstraße kommen die Besucher über einen Vorplatz direkt zum Haupteingang. Die Außengastronomie und das gegenüberliegende Wasserbecken mit Sitzkante an der Friedhofsmauer beleben diesen hofartigen Platzraum und bieten Treff- und Aufenthaltspunkte für die Ankommenden. Als Belag wird Kleinsteinpflaster aus Granit vorgeschlagen, welcher sich auf das notwendige Maß im südlichen Bereich des Grundstücks konzentriert, um die Oberflächenversiegelung möglichst gering zu halten. Das anfallende Regenwasser wird unterirdisch gesammelt und zur Bewässerung wiederverwendet.
Der nördliche Gartenbereich des Grundstücks steht unter dem Motto: „Grün für alle“. Über einen Rundweg werden verschiedene Aspekte von Ökologie und Gartenbaukultur veranschaulicht. Verschiedene Spaliergehölze, ein Schaukleingarten mit Laube, Hochbeete mit Sitzelementen, ein Insektenhotel, ein Kompostbereich, Staudenpflanzungen und alte Obstbäume bieten allen Besuchern die Möglichkeit Interessantes zu entdecken und mitzumachen. Im Zentrum entsteht dabei eine offene Rasenfläche die dem Garten eine Großzügigkeit verleiht und ebenfalls für Veranstaltungen genutzt werden kann.
Die funktionale Erschließung erfolgt über das neu errichtete Friedhofstor. Die PKW Stellplätze werden östlich des Gebäudes auf dem Grundstück vorgesehen. Hier befindet sich auch die Anlieferung. Die Fahrradbügel werden auf dem Vorplatz verortet.
Dachterrasse: Grünes Klassenzimmer mit Sitzelementen aus Holz im Schatten der schirmförmigen Felsenbirnen.
Die Begrünung der vertikalen Fassadenelemente erfolgt mit Kiwi (Actinidia arguta) und Hopfen (Humulus) in integrierten Pflanzkästen. Sie gewährleisten durch ihren schnellen Wuchs an den vorgesehenen Rankhilfen im Frühjahr und Sommer einen optimalen Sonnenschutz. Im Herbst und Winter verschwindet der krautige Aufwuchs fast vollständig und lässt so genügend Licht in die dahinter liegenden Räume.